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Samuel Beckett
WARTEN AUF GODOT

Premiere: 14. Februar 2009 Fürstensaal / Schloss

Fotos link

Besetzung:
Inszenierung -
Ausstattung -
Dramaturgie -

Inspizienz -
Regieassistenz -
Soufflage -
Karl Georg Kayser a.G.
Karl Georg Kayser a.G.
Annelene Scherbaum

Ito Grabosch
Juliane Nowak
Bernd Kruse
WARTEN AUF GODOT

Darsteller:
Wladimir - Peter Meyer | Estragon - Sascha Oliver Bauer | Lucky - Stefan Gille | Pozzo - Thomas Streibig | Ein Junge - Henrik Diehls/Jens Hofmann/Felix Maier


Stück:

Auf einer Landstraße, irgendwo, irgendwann. Wladimir und Estragon warten. Auf einen, den sie Godot nennen. Von dem sie aber nicht wissen, wer es ist. Wann sie mit ihm verabredet sind und was sie von ihm wollen, wissen sie auch nicht. Klar ist ihnen nur eins: Godot ist ihre Rettung. Zwei andere Männer kommen dazu: Pozzo, ein peitschenschwingender Herr, und Lucky, sein apathischer Sklave an der Leine. Schließlich erscheint ein Junge und entschuldigt Godot. Godot käme morgen. Ganz gewiss. An einem anderen Tag. Wieder warten Wladimir und Estragon auf Godot. Wieder kommen Pozzo und Lucky vorbei, aber Pozzo ist inzwischen erblindet und Lucky stumm. Und wieder erscheint der Junge und entschuldigt Godot...


Pressestimmen:

Gießener Allgemeinen Zeitung

Es gibt kein Entrinnen aus der Einsamkeit
Karl Georg Kayser setzt im Fürstensaal des Marburger Schlosses Becketts »Warten auf Godot« konsequent in Szene

Es herrscht Endzeitstimmung im Fürstensaal des Marburger Schlosses. Gastregisseur Karl Georg Kayser gibt das Szenario vor, in dem er zu Beginn das Inferno der einstürzenden Welt per Video zeigt. Zwei Menschen – um ihr Leben rennend – wollen ihm entfliehen. Und da sitzen sie nun, Wladimir und Estragon, die sich an das Gestern nicht mehr erinnern können und nicht wissen, was der nächste Tag für sie bringt. Geduldig warten sie auf Godot, den vermeintlichen Erlöser, der natürlich nie erscheinen wird. Konsequent hat Kayser in seiner dichten Inszenierung am Hessischen Landestheater die Ebenen von Raum und Zeit aufgehoben – ganz dem absurden Theater verpflichtet, dem Samuel Beckett 1953 sein Meisterwerk widmete. »Was sollen wir jetzt machen?«, fragt Estragon seinen Kumpel immer wieder, und: »Sollen wir uns aufhängen?« Doch es gibt kein Entrinnen aus der Einsamkeit: Der Strick ist zu morsch und das Bäumchen zu schwach. Aber wie die Langeweile totschlagen? Da bieten die Auftritte des Herrenmenschen Pozzo mit seinem untergebenen Diener Lucky eine willkommene Abwechslung in der Eintönigkeit des Daseins. Aber auch dieses ungleiche Paar hat keine Lösung parat, ist auf Gedeih und Verderb ebenso aneinander gefesselt wie Wladimir und Estragon. Selbst der einzige Ausbruch endet im Nichts: Als der sonst stumme Lucky auf Befehl seines Peitsche schwingenden Herrn anfängt, laut zu denken, mündet dies in einen hanebüchenen Diskurs, dem schließlich niemand mehr folgen kann und will. Ein verbales Bravourstück von Stefan Gille, der sich – langsam beginnend – zu abenteuerlichen geistigen Windungen emporschraubt und dafür zu Recht Szenenapplaus erhält. Thomas Streibig vermeidet das allzu Martialische, ist doch sein Pozzo das eigentliche arme Schwein, am Ende blind auf jegliche Hilfe von außen angewiesen. Peter Meyer zeigt einen wunderbaren Wladimir in Hochwasserhosen und einem viel zu kleinen Dufflecoat: das Kind im Manne, das verzweifelt versucht, seinen Kopf oben zu behalten. Er ist es, der immer wieder seinem Partner gut zuredet – und dadurch sein eigenes Überleben sichert. Sascha Oliver Bauer kehrt als Estragon mehr den Clochard heraus: ein Obdachloser, den die Schuhe drücken und der immer kurz davor steht, endgültig aufzugeben. Ob es Hoffnung gibt? Vielleicht. Sie warten ja auf Godot. Marion Schwarzmann



Giessener Anzeiger

Endzeit-Märchen auf aschgrauer Bühne

Karl Georg Kayser inszeniert Becketts "Warten auf Godot" fürs Landestheater im Fürstensaal des Marburger Schlosses

Rüdiger Oberschür MARBURG. Beckett im Schloss, auf wen wird da wohl gewartet? Den Fürsten, König, Kaiser gar? Doch nichts dergleichen. Karl Georg Kayser hat "Warten auf Godot" für das Hessische Landestheater zwar ins Marburger Schloss verlegt, den ganzen feudalen Ballast des Ortes aber getrost links liegen gelassen. Die Bühne ist ein aschgraues Halbrund, nach hinten mit zwei schrägen Wänden begrenzt. Der stückgetreue Baum thront schön kahl in der Mitte. Über Bühne und Zuschauerraum hat Kayser eine breite Stoffbahn ziehen lassen, die dem Ganzen einen umso kompakteren Kammerspielcharakter innerhalb des Fürstensaales verleiht. Epochale DepressionZu Beginn lässt Kayser ein verschwommenes Schwarzweißvideo von Kriegsbildern über die trostlose Bühne wandern. Gewartet wird hier also nach dem Ausklang der Apokalypse. Theatergeschichtlich ein stimmiger Aufhänger, Becketts Paradestück des Absurden Theaters galt bei seiner Uraufführung 1953 in Paris gerade seines Grundtons einer epochalen Depression wegen als adäquate Verarbeitung der Kriegsjahre. Verschiedene LesartenBei der kleinen Anspielung belässt es Kayser jedoch und gibt dem soziologischen Mikrokosmos der Figuren den Vorrang, auch wenn der Charme des Endzeit-Märchens bis zuletzt mitschwebt. Dabei sitzen die Dialoge - Sätze, Gesten und Mimik sind klar, fein und präzise gesetzt. Gerade in Kaysers Transparenz und Deutlichkeit wird klar, dass man diese Dialektik von Bruch und Kontinuität, das Beckettsche Verfolgen von Bedeutung innerhalb der Bedeutlungslosigkeit, durchaus auch als Suizids-Fantasie wie Beziehungs-Farce lesen kann. Wladimir und Estragon zeigt Kayser doch recht konventionell, als Landstreicher einer verstörenden Unzeit. Peter Meyer überrascht als Wladimir in einer angenehmen, fast kindlichen Spielweise. Wie er da in Hochwasserhosen und eingelaufenem Pulli Rüben und Radieschen verteilt, den Freitod zur Option erklärt oder Estragon immer wieder das Gehen getrennter Wege vorschlägt, das ist absolut ansehnlich. Sascha Oliver Bauers Estragon ist ein Columbo-Clown im Schlabber-Chic, dessen schläfriges Verlangen hervorragend zur Kostümierung passt. Wenn Pozzo und Lucky die Bildfläche betreten, kriegt auch Kaysers Inszenierung neue Dynamik. An der Hundeleine zieht Pozzo, dieser Hohepriester des Sadismus, seinen Sklaven Lucky zum Erstaunen der beiden Landstreicher auf die Bühne. Thomas Streibig gibt Pozzo als böswilligen Zirkusdirektor, Stefan Gille zeigt einen schon wegen seiner schlaksigen Statur doppelt gebrochenen Lucky. Im blauweißen Steifenanzug pendelt seine Herkunft zwischen ehemaligem Matrosen, weitgereistem Lebemann oder schlichtweg einem entlaufenen Sträfling. Kayser ergänzt Luckys "Denk-Monolog" um einige stotternde Formulierungen rund ums Tennsspielen, ein sinnfälliger Verweis auf das Pingpong der Beziehungs-Farce oder das "Soll-ich-odersoll-ich-nicht" einer Suizids-Fantasie. Szenenapplaus gab es für Gille da völlig zu Recht. Wenn im zweiten Teil dann drei Blätter am sonst so kahlen Baum hängen, für Wladimir aber kein Menschenleben möglich scheint und nach Angaben eines Jungen (Henrik Diehls, Jens Hofmann, Felix Maier) Godot nicht, dafür aber ein erblindeter Pozzo und erschöpfter Lucky zu ihrem Warteort kommen, ist der Reigen des Absurden komplett. Auch zwei schöne Nachtstimmungen in dieser dreiteiligen Lesart Kaysers haben wohl für heftigen den Premierenapplaus gesorgt.



Oberhessische Presse

Im ausverkauften Fürstensaal verfolgten die Premierenzuschauer am Samstagabend einen der Höhepunkte der bisherigen Spielzeit des Hessischen Landestheaters: "Warten auf Godot".

von Gabriele Neumann

Marburg. Als Samuel Beckett "Warten auf Godot" vor 60 Jahren schrieb, war der Zweite Weltkrieg gerade vorbei. Das Kriegsende, etwas, auf das so viele Menschen so lange gewartet hatten, war eingetreten. Bei Beckett dagegen tritt nichts ein. Wladimir und Estragon warten auf einen, den sie nicht kennen, der sie retten soll, der all ihre Probleme lösen soll. Und Beckett führt dieses Warten meisterlich ad absurdum. Karl Georg Kayser, der "Godot" als Gast in Marburg inszeniert hat, bringt die Grundstimmung dieses ausweglosen Wartens perfekt auf die Bühne des Fürstensaals im Landgrafenschloss. Dass dies gelingt, dafür tragen die beiden Hauptdarsteller Peter Meyer (Wladimir) und Sascha Oliver Bauer (Estragon) die Hauptverantwortung. Der eifrige Wladimir macht immer noch den Eindruck eines Jungen, der einmal ein Musterschüler hätte werden können, inzwischen aber nicht nur der Musterschülerkleidung entwachsen ist, die er immer noch am Leibe trägt. Der etwas zu eifrige Blick, die Hände, die wie zwei kleine Vögel ein Eigenleben führen, der stets noch auf Etikette bedachte Umgangston, in einer Situation, in der Etikette längst keine Rolle mehr spielt. Meyer verkörpert Wladimir so überzeugend, man könnte glauben, er sei direkt von der Straße aufgelesen worden und man werde nur zufällig Zeuge seines wirren Dialogs mit Estragon. Der funktioniert nur, weil Sascha Oliver Bauer darstellerisch auf Augenhöhe agiert. Er gibt den Estragon als gescheiterten, vergesslichen Künstler im ehemals weißen Trenchcoat, einen der die Fürsorge Wladimirs braucht und gleichzeitig nicht ertragen kann. Er will den Ort des Wartens verlassen, vergisst auf wen sie warten, lässt sich aber vom kindlichen Eifer Wladimirs immer wieder zum Bleiben überreden. Dabei spielen die beiden Darsteller immer wieder die volle Größe der Bühne aus, tollen um den Baum, an dem sie sich eben noch erhängen wollten, essen, umarmen sich, laufen voneinander weg. Kayser lässt allein das Spiel wirken - und das wirkt. Kein unnötiger Ballast im Bühnenbild, keine überflüssige Ablenkung durch Theatermittel. Allein die Wartenden, schwankend zwischen Tragik und Komik - für sie ist eh alles gleich. Sie müssen sich irgendwie die Zeit vertreiben, bis Godot kommt. Da kommt der Bourgeois Pozzo (Thomas Streibig) mit seinem Diener - oder Sklaven - Lucky (Stefan Gille) gerade recht. Und dreht die Schraube der Sinnlosigkeit noch ein bisschen weiter. Wie der behäbige Reiche den hervorragend ausgemergelten Sklaven an der Leine herumkommandiert, ihn wie einen Hund Kunststücke vorführen lässt, und schließlich fast wie einen Philosophen über Leben und Sein vordenkenlässt, das führt zum verdienten Szenenapplaus für Stefan Gille. Gut und Böse, Fortgang der Handlung, Auflösung der Spannung, auf all diese klassischen Theaterzutaten wartet man bei "Godot" vergeblich. Und doch treffen Beckett und auch die Marburger Inszenierung ein menschliches Grundbedürfnis: die Sehnsucht nach Erlösung. Das spiegelt der kurze immer wiederkehrende Dialog zwischen Wladimir und Estragon. Estragon: Komm, wir gehen!, Wladimir: Wir können nicht. Estragon: Warum nicht? Wladimir: Wir warten auf Godot. Estragon: Ach ja. Die Erlösung bleibt aus, die Sehnsucht bleibt. Ihr zuzusehen lohnt sich in Marburg. Und selten war in den vergangenen Spielzeiten nach Premieren ein so ehrlicher lang anhaltender Applaus vor der Bühne und eine so gelöste Entspannung auf der Bühne zu sehen. Weitere Termine: 17. und 18. Februar, 30. März, jeweils 20 Uhr, Fürstensaal.



Marburger Neue Zeitung

Regisseur setzt auf seine Darsteller
Hessisches Landestheater Marburg wird für „Warten auf Godot“ bejubelt

Stürmischen Beifall hat es am Samstagabend für die gelungene Premiere von Becketts „Warten auf Godot“ gegeben. Im ausverkauften Fürstensaal im Marburger Schloss begeisterte vor allem das ausdrucksstarke Spiel der vier Darsteller des Hessischen Landestheaters Marburg.

Ein graues Plateau, bleiche Wände, in der Mitte ein kahler Baum, das ist das Bühnenbild für „Warten auf Godot“, das berühmte Stück von Samuel Beckett. Hier, mitten im zeitlosen Nirgendwo, treffen sich die Hauptfiguren Wladimir und Estragon und warten auf einen, den sie Godot nennen. Aber wer er ist, wissen sie nicht, nur dass er ihnen Erlösung bringt, scheint sicher. Eine Handlung gibt es nicht in dem Stück, das auch als Tragikomödie bezeichnet wird. Die beiden Protagonisten versuchen, sich die Zeit des Wartens mit allerlei grotesken Spielchen zu vertreiben. Dabei wechselt die Stimmung immer wieder von einem Extrem ins andere. „Komm, wir wollen glücklich sein“, ruft Wladimir aus und hüpft grinsend über die Bühne. „Komm, wir nehmen uns einen Strick und hängen uns auf“, schlägt Estragon im nächsten Moment vor. Vor allem das Können der Darsteller verleiht dem Stück, dessen tiefere Bedeutung bis heute umstritten ist, Leben und Energie. Peter Meyer überzeugt mit seinem intensiven Spiel als freundlicher, etwas naiver Wladimir, der seinen Freund immer wieder aus düsteren Stimmungen herausreißen kann. Sascha Oliver Bauer brilliert in der Rolle des grüblerischen, zu Panikattacken neigenden Estragon.

Obwohl sich die beiden immer wieder aus Langeweile zanken wie ein altes Ehepaar, können sie nicht voneinander lassen, denn sie fürchten die Einsamkeit mehr als alles andere. Wladimir und Estragon bleiben nicht lange allein auf der Bühne, sondern bekommen Besuch von einem merkwürdigen Duo: Herr Pozzo, glänzend gespielt von Thomas Streibig, tritt auf und führt seinen Knecht Lucky (Stefan Gille) wie einen Hund an der Leine. Pozzo, der auf den ersten Blick wie ein netter älterer Herr wirkt, ist in Wirklichkeit ein brutaler Meschenverächter. Er quält Lucky, lässt ihn tanzen und laut denken und behauptet auch noch, dass dieser sein Schicksal selbst gewählt hat. Der Knecht Lucky erscheint in dem Stück als die geschundene Kreatur schlechthin. Für Stefan Gilles Darstellung des denkenden Lucky, der sich wie eine steife Gliederpuppe bewegt und in einen absurden Monolog verstrickt, gibt es Szenenapplaus.

Regisseur Karl Georg Kayser aus Hamburg hat in der Marburger Inszenierung von „Warten auf Godot“ auf eine krampfhafte Aktualisierung des Stoffes verzichtet und ganz auf das Eigengewicht des Stückes und das Können der Schauspieler gesetzt. Dieses Konzept ist am Samstag voll aufgegangen. Am Schluss der Premiere gab es minutenlangen, stürmischen Beifall, Fußgetrampel und begeisterte Pfiffe für die Schauspieler des Landestheaters und ihren Gastregisseur.

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